[HTTP410] Das härteste Assessment-Center der Welt? Recruiting in Online-Games

Als im Zuge der NSA-Affäre auch die Überwachung von Online-Spielen thematisiert wurde, war ich persönlich alles andere als überrascht. Schließlich haben wir es hier mit so komplexen Digitalwelten zu tun, dass ganze Generationen von Spielern darin versinken und ihr “Real Life” völlig vernachlässigen können. (Übertrieben ausgedrückt, natürlich hat ein Großteil der Spieler und Spielerinnen ein geregeltes Leben und ihr Spielverhalten absolut unter Kontrolle.) Dennoch muss jedem klar sein, dass hier eine Menge Kommunikation über Chat, Mail, und Stimme abläuft – und dass hierbei nicht nur über das Spiel gesprochen wird: Familie, Politik und Beruf sind Themen die bei längeren Session allesamt auf den Tisch kommen.

Mehr noch:

Man löst gemeinsam vielschichtige Aufgaben. In Teams. Mit Spezialisten und Führungskräften. Heute morgen bin ich auf eine kleine Recruiting-Kampagne gestoßen, die ich mindestens genauso schlüssig finde: Yossi Lubaton, CEO der Agentur BBR Saatchi&Saatchi in Israel suchte 2013 Top-Entwickler mit einer guten Reaktionszeit, kreativem Denken und Teamfähigkeit. Und um diese Softskills zu testen, ließ er die Anwärter eine harte Aufgabe lösen. Mit ihm gemeinsam auf einem der gefährlichsten Schlachtfelder: In Diablo 3.

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Ich glaube absolut an die Möglichkeit, in dieser Umgebung schon mal etwas die Spreu vom Weizen zu trennen. Ich selbst habe vor ein paar Jahren mal die Semesterferien bei Word of Warcraft verbracht und schon 2011 von der Möglichkeit geschrieben, dort Leute sehr gut kennen zu lernen:

Nächtelang mit einem bayrischen Koch und einem Dortmunder Türsteher durch die Lande zu ziehen und für das Gute zu kämpfen, das schweißt zusammen – über das Spiel hinaus. Ich lernte die Mitspieler in Stresssituationen kennen und weiß, wie sie sich in einer Führungsposition verhalten. Oft dachte ich zum Beispiel: “Den Typen würde ich sofort einstellen”, oft aber auch: “Warum du keinen Job lange behältst, ist mir schon klar”.

Grundeigenschaften von Online-Gamern

Gruppenbildung ist in Online-Spielen meist Voraussetzung für ein erfolgreiches Arbeiten. Spieler spezialisieren sich und bilden so selbstorganisierte Teams von Fachkräften. In den so gemeinsam erlebten Abenteuern gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, seine Mitspieler und deren besonderen Eigenschaften aus Recruiter-Sicht kennen zu lernen:

  • Nehmen Spieler Führungspositionen ein, wenn es notwendig ist? Lassen sie sich führen, wenn es notwendig ist?
  • Verhält sich der Spieler seiner Profession entsprechend? Bringt sich die schwach gerüstete Heilerin dauernd selbst in unnötige Gefahr und muss von den Mitspielern gerettet werden? Oder weiß sie, wo ihre Stärke liegt: Etwas abseits vom Kampfgeschehen mit Überblick auf den gesundheitlichen Zustand ihrer Gefährten?
  • Wie verhält sich ein Spieler beim Verteilen der Beute? Behält er alles für sich, um es auf dem Markt zu verkaufen, oder erkennt er, dass Item XY für seinen Mitspieler von Gebrauch ist und gibt es diesem weiter?
  • Ist der Spieler zuverlässig? Bekommt er Beruf, Familie und das Spiel unter einen Hut? Wenn nicht: wer leidet darunter?
  • Und last but not least: Ist der Spieler konfliktfähig und wie löst er Unstimmigkeiten?

recruiting_diablo_2 Was meint Ihr: Wer hier den Überblick behält, der kommt auch bei engen Deadlines nicht aus dem Takt? 😉

[HTTP410] Facebook macht Fan-Sharing möglich

Wie hier und hier gelesen, hat Facebook gerade eine interessante Anpassung der Funktionsweise des Fanpage-Feeds durchgeführt. Vertaggt Ihr im Posting auf Eurer Fanpage eine andere Fanpage (Bsp. “Wie bei @wollmilchsau gelesen, bla, bla, bla.), besteht ab jetzt angeblich die Wahrscheinlichkeit, dass die Fans der getaggten Fanpage Eure Botschaft auch sehen. Ihr habt im Grunde indirekten Zugang zu einem unbestimmten Teil der fremden Fans, wodurch Eure organische Reichweite erhöht wird.

Die genauen Voraussetzungen für die Einblendung im “fremden Lager” sind natürlich nicht bekannt. Facebook verweist lediglich auf allgemeine Faktoren wie Engagement, Relevanz und thematische Schnittmenge der auf diese Weise vernetzten Seiten. Sagen wir mal, ich habe eine Fanpage über Äpfel und vertagge in meinem super relevanten und tollen Post eine Fanpage über Birnen. Ein paar Fans, die Äpfel und Birnen mögen, liken und sharen meinen Post. Aha, sagt Facebook, das scheint für beide relevant zu sein, also ist der Post vielleicht auch für ein paar Nur-Birnen-Fans relevant. Zack, sehen ein paar Birnen-Fans meinen Äpfel-Post. Juhu!

Insgesamt ein interessanter Zug, nachdem Facebook in den vergangenen Monaten die (unbezahlte) organische Reichweite eher eingeschränkt hat. Eventuell ein Versuch, uns doch etwas mehr für unser Geld zu bieten?!  Naja. Oder besteht, wenn man’s negativ hinterfragen möchte, doch die Notwendigkeit potemkinsche Dörfer aufzubauen, da die Reichweite aufgrund der sinkenden Beliebtheit von Facebook zwangsläufig zurückgeht? Und so kann jetzt etwas Reichweite von Fanpage zu Fanpage unter dem Tisch hin und her geschoben werden. Was auch immer der genaue Grund für dieses unfreiwillige “Fan-Sharing” ist, Facebook nimmt hier offenbar in Kauf, dass Nutzer demnächst noch mehr irrelevantes Zeug in ihren Feeds zu sehen bekommen.

Warum?! Na, weil jetzt die Füchse unter den Online-Maketern ihre Spam-Maschinen anschmeißen und die eigene Produktwerbung bei der Konkurrenz zu platzieren versuchen werden. Kann man ihnen nicht verübeln. Sie werden’s vermutlich schon sehr bald übertrieben haben. Aber uns kann das egal sein. Für Personaler sehe ich nämlich eine interessante Gelegenheit. Wir brauchen gar nicht übertrieben zu spammen. Wir könnten dagegen die neue Funktion sinnvoll und mit Bedacht einsetzen, z.B. um evtl. etwas mehr schöne Facebook-Reichweite für eine schöne Stellenanzeige herauszuholen. Wie? Zum Beispiel so:

Beispiel einer Stellenanzeige auf Facebook

Ok. Das ist jetzt etwas scherzhaft und spontan ausgedacht mit BMW, Audi und Porsche. Aber in etwa so müsste das gehen. Um die neue Möglichkeit vernünftig auszuprobieren, würde ich etwas systematischer vorgehen. Als erstes würde ich mir per Facebook Graph Search anzeigen lassen, was die Fans meiner Seite sonst noch für Seiten mögen. Das geht so:

Facebook Graph Search

Dann würde ich mir ein paar davon mit den passendsten Themen und möglichst großer Fanbase aussuchen und genauer prüfen, was ihre Fans für Interessen haben. Das geht so:

Facebook Fan-Sharing

Und jetzt würde ich eine lustige Stellenanzeige mit einem StarWars-Motiv entwerfen, t3n vertaggen und hoffen, dass ich damit den Geschmack von ein paar Wollmilchsau & t3n Fans treffe, wodurch sich das Tor zu einigen weiteren t3n Fans öffnen sollte. Zugegeben, ich habe das leider noch nicht in der Praxis ausprobieren können, sondern gerade eben ausgedacht. Die Effektivität der neuen Möglichkeiten müsste genauer in einem Feldversuch untersucht werden. Aber wenn ich alles richtig verstanden habe, müsste das genau so funktionieren.

Ich hoffe jedenfalls, eine interessante Idee geliefert zu haben und freue mich auf Bestätigungen, Widerlegungen und sonstige Kommentare dazu. Happy Fan-Sharing!

Null Bock auf Einheitsbrei: Neue Netzwerke gegen alte Platzhirsche

Wenn Facebook eine Messenger-App für 19 Milliarden kauft, dann mag das Teil einer Blase sein – davon dass der “Hype vorbei” sei, kann man angesichts einer solchen Investition allerdings kaum sprechen. Nun mag man sich über den angeblichen Wert eines Online-Unternehmens mit 55 Mitarbeitern wundern oder sich fragen, was Facebook im Detail zu diesem Schritt bewegt hat. Wenn man allerdings mal den Fokus von diesen unternehmerischen Aspekten wegnimmt und auf die Nutzer schaut, dann wird es (zumindest für mich) interessant:

WhatsApp hatte zuletzt 450 Millionen Nutzer, davon alleine 30 Millionen in Deutschland. Fällt Euch was auf? Facebook hat es all die Jahre nicht geschafft, diese Marke zu knacken und krebst hierzulande immer noch bei 25 Millionen rum. WhatsApp hingegen wuchs alleine im letzten halben Jahr um 10 Millionen Nutzer. Möglich wurde dies durch idiotensichere bzw. leichte Nutzung von WhatsApp und die Fokussierung auf eine Funktion: das Senden und Empfangen von Nachrichten und Fotos. Und das passiert pro Tag fast 20 Milliarden Mal.

Facebook bewies schon mit dem Kauf und der überaus gekonnten Weiterführung von Instagram das richtige Gespür. Ja, wir wollen Fotos posten. Nein, wir wollen sie nicht unserem gesamten Netzwerk aus Freunden, Bekannten und Verwandten unter die Nase halten, sondern nur denen, die sich meine Wackelphotos mit Lomo-Filter ausdrücklich abonniert haben. Das gleiche gilt für den Bereich Kommunikation, auch wenn Facebook mit dem Messenger eine Alternative anbietet, die allerdings lange nicht so gut angenommen wird wie die simple grüne Sprechblase mit dem Telefonhörer.

Das deckt sich mit einem Trend, den man seit etwas über einem Jahr überall beobachten kann: eine zunehmende Diversifizierung in der Wahl und Nutzung einzelner Dienste. “Wave” ist mit knapp 50.000 Befragten aus 65 Ländern eine der umfassendsten Studien der Online-Nutzung überhaupt. (Grundsätzlich sehr zu empfehlen!) Auch in Version 7 dieser Erhebung wird deutlich: Die Nutzungsintensität und -vielfalt sozialer Netzwerke nimmt immer weiter zu. Dass die Facebook-Wachstumskurve nach und nach abflacht, sollte man nicht überinterpretieren.

So entwickelt sich im Windschatten der großen komplexen Netzwerke die Microblogging-Dienste weltweit gemächlich aber prächtig, allen voran Twitter:

Die globale Microblogging-Welle - Neue Netzwerke wachsen wie Pilze aus dem Boden

Nicht jedoch in Deutschland, hier pflegen wir allerdings unsere ganz eigene Kultur: Online-Foren.

Online-Foren sind in Deutschland nach wie vor sehr beliebt.

Das nur als Beispiel. Quer durch alle Klassen, Länder, Altergruppen, Szenen, Urban Tribes etc. lassen sich solche Eigenheiten beobachten. Die Rolle der Massennetzwerke wird weiter abnehmen, wenn auch Facebook als Adressbuch, Event-Tool und Mail-Programm wohl noch lange sehr wichtig sein wird – einfach wegen seiner Verbreitung. Die Musik spielt aber zunehmend in den Spezial-Netzwerken und -Tools. Und während ich hier von Instagram und WhatsApp schreibe, die beide schon so groß wurden, dass Facebook sie kaufte, installieren sich irgendwo gerade ein paar hunderttausend Nutzer den neuen, heißen Scheiß. Doof nur, wenn Unternehmen zwei Jahre brauchen, um in einem Netzwerk aktiv zu werden, nur um dann festzustellen, dass sie 3 Monate zu spät dran sind.

[HTTP410] Social Media Recruiting Studie 2014: vom Hype in den Recruiting Mix

Der Hype ist vorbei. So fasst Eva das Ergebnis ihrer frisch erschienen Social Media Recruiting Studie 2014 zusammen. Betrachtet man die Social Recruiting Zahlen aber abgekoppelt von den Klassikern (Jobbörsen, Karriere-Webseiten, Mitarbeiterempfehlungen & Messen) und den hartnäckigen Irrtümern (48% machen Print? WTF!), zeichnet sich ein anderes Bild. In diesem Szenario setzen 46 Prozent der Unternehmen auf die Direktansprache von Kandidaten im Social Web und 41,9 Prozent der Befragten nutzen Social Media für den Aufbau ihrer Arbeitgebermarke. Das sind Zahlen, die wir uns nicht erträumt haben als wir hier 2008 die ersten Artikel über Active Sourcing und Employer Branding im Social Web veröffentlichten.

Dass es bis zur vollständigen Adaption des Medienwandels im Personalmarketing und Recruiting noch ein langer Weg und die Zahl der “Next Generation Recruiter” weiter ausbaufähig ist, bestreitet niemand. Besonders sichtbar wird das in den Antworten zur privaten Social Media Nutzung der befragten Recruiter:

Ergebnisse der Social Media Recruiting Studie 2014

Große Unsicherheiten bestehen, wie im Online-Recruiting generell, auch im Social Recruiting hinsichtlich der Messbarkeit von Zusammenhängen bei der Kandidaten-Gewinnung. Denn 25,2 Prozent wissen nicht, ob sie durch Social Recruiting Maßnahmen Stellen besetzt haben. Und das waren nur die, die ehrlich genug waren, diese Tatsache auch zuzugeben. Der tatsächlich Wert liegt meiner Erfahrung nach deutlich höher. Diese Vermutung wird auch von den Antworten auf die Frage nach den zur Erfolgsmessung angewandten Methoden gestützt. Mit 64,3 Prozent ist die “manuelle Auswertung der Bewerberangaben” hier Spitzenreiter, gefolgt von “Tracking innerhalb des ATS” (24,2%) und “Gar nicht” (16,2%). Wer schon mal versucht hat, mit diesen Methoden brauchbare Zahlen zu erheben, weiß, wie viel Erkenntnis das Ergebnis bringt: nicht viel. Ich hoffe, das wir hier zukünftig Fortschritte erzielen, auch wenn das aus verschiedenen Gründen (Zuständigkeiten, Datenschutz, Falschangaben…) nicht leicht ist.

Das aus meiner Sicht positive Bild stützt auch die für Social Recruiting wöchentlich aufgewandte Zeit. So investieren 20,5 Prozent der Befragten wöchentlich immerhin 5 Stunden für Social Recruiting, 11,8 Prozent sogar 10 Stunden und immerhin 5,6 Prozent sogar 20 Stunden pro Woche. Wenn man in Betracht zieht, welche Aufgaben selbst reine Personalmarketer noch so haben, sprechen diese Zahlen für ein Umdenken.

Das ein Umdenken bei der Messung nötig ist, zeigt sich nicht nur bei der Erfassung von Bewerber-Traffic, sondern wird auch beim Monitoring der Arbeitgebermarke deutlich. Ein gutes Drittel (36,7%) beobachten die Entwicklung ihrer Employer Brand gar nicht, ein knappes Drittel nur gelegentlich (29,2%) und nur ein Sechstel regelmäßig, sprich systematisch.

Abschließend folgt dann die obligatorische Frage nach dem für Social Recruiting vorhanden Budget. Das Ergebnis ist wie jedes Jahr ernüchternd, wobei ich angesichts unserer eigenen positiven Erfahrungen vermute, dass die entsprechenden Gelder aus den normalen Budgettöpfen für Personalmarketing/Employer Branding stammen und nicht separat ausgewiesen werden. Was meint Ihr?

Abschließend zeigt sich dann, dass Social Recruiting sich auch in den nächsten Jahren weiter entfalten wird, denn auf einer Skala von 1 bis 4 bewerten die Teilnehmer die Eignung für Employer Branding mit 3,4 und die Eignung zur Mitarbeitersuche mit 3,3. Da geht noch was!

[HTTP410] Sind Facebook-Anzeigen ein großes Betrugsgeschäft?

Manche werden es bestimmt schon mitbekommen haben: Ein Video macht unter dem nicht sehr zurückhaltenden Titel “Facebook Fraud” die Runde und “beweist, dass Facebooks Umsatz auf Fake-Likes basiert”. Soweit die eigenen Angaben das Autors in der Video-Beschreibung. Und natürlich wird diese scheinbare Enthüllung von der Öffentlichkeit gerne aufgenommen und wiedergegeben, ist Facebook doch wegen der deutlich reduzierten Reichweite der Pages zur Zeit eh in der Kritik.

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Ich fasse zum Thema “Facebook Fraud” zusammen:

Derek Muller stellt in einem eigenen Test fest, dass viele über Ads gewonnene Fans aus den Ländern kommen, in denen überlicherweise sogenannte Klickfarmen betrieben werden, also “falsche” Facebook-Nutzer gegen Geld Seiten oder Beiträge liken – massenhaft. Natürlich liken sie nicht nur die Pages der zahlenden Kunden, sondern zur Tarnung auch eine Menge anderer Seiten. Und da es sich diese Farmer und deren Arbeiter möglichst leicht machen wollen, klicken sie einfach auf die Seiten, die ihnen über Werbeanzeigen zum Liken angeboten werden. Soweit so schlecht. Das habe allerdings noch eine weitere Folge: Dadurch, dass diese Fans in Wirklichkeit keine realen Personen mit einem realen Facebook-Verhalten sind, also nie mit den Seiten oder deren Post interagieren, würde die Relevanz der Seite und deren Beiträge von Facebook schlechter bewertet werden. Das wiederum habe zur Folge, dass die Seitenbetreiber wieder mehr Geld in Ads investieren müssten. Ads, die die Reichweite der Seite erhöhen, also dafür sorgen, dass die Beiträge wieder den Fans angezeigt werden. (Wovon wieder ein Großteil nicht echt ist…) Ein Teufelskreis, der den Facebook-Kunden das Geld aus der Tasche zieht?

Was ist da los?

Um es kurz zu machen, Derek hat zunächst mal einen grundsätzlichen Fehler begangen: Er hat nicht streng genug bzw. vorausschauend genug gefiltert und ist eine ähnliche Falle getappt, wie wir selbst im Herbst 2012. Pech. Zwei gute Artikel gehen auf die Hintergründe des Ganzen sehr genau ein, sodass ich mir hier eine weitere Analyse spare:

Real Talk

Ganz ehrlich: Facebook-Marketing ist kein Kindergeburtstag. Dass Facebook oft so tut als wäre das alles so wunderbar einfach und “to the people”, das mag man dem Unternehmen vorwerfen können. Das ist definitiv nicht so. Jeder der sich ein bisschen auskennt, weiß, dass diese Art des Advertisings nie auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Targeting und Zielgruppenbestimmung, Zielgruppenanalyse, Nutzerverhalten – all das sind Dinge, die nur mit der nötigen Erfahrung richtig einzuschätzen sind. Ganz zu schweigen von Facebooks technischen und strukturellen Kapriolen. Hier liegt (so ganz nebenbei) auch die zukünftige Ausrichtung im Facebook-Marketing: Facebook ist ein Monster, in dem mit gutem Community-Management und Content alleine kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Der Glaube, dass sich positive Energien hier mittelfristig durchsetzen würden, ist illusorisch. Eure Zielgruppe ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Facebook aktiv, aber wer sie dort (mit welchen Inhalten auch immer) erreichen möchte, der muss eben etwas Geld dafür ausgeben – wie überall sonst in diesem Internet auch. Und wer Geld für Dinge ausgibt, von denen er nichts versteht, der zahlt oft drauf – wie überall sonst im Leben auch.

Semantische Jobsuche mit Truffls.de

Das Jahr ist noch so jung und wir haben erfreulicherweise bereits eine erste Innovation in Sachen Job- und Personalsuche, ausgerechnet aus Deutschland, zu verbuchen. Im Dezember 2013 ging die Plattform Truffls.de des Kölner Start-Ups “Kaktus Ventures UG” an den Start. Das Ziel: mit Hilfe von Semantik (Erkennen des Sinns hinter der Information) das Leben von Jobsuchenden und Personalsuchenden spürbar einfacher zu gestalten.

Ich habe mir die Plattform genau angeschaut und freue mich nun, mit einer Vorstellung hier mehr Aufmerksamkeit für die Arbeit des Truffls Team zu erregen. Eine erste sehr ausführliche und technische Review gab’s bereits von Henrik Zaborowski. Ich werde versuchen, mich ganz kurz zu fassen, damit ihr mehr Zeit zum Testen habt.

Das größte mir bekannte Problem, wenn sich Menschen in meinem Umkreis um einen neuen Job bemühen (wollen), lautet: “Ich weiß nicht, wie das heißt, was ich machen will. Was gebe ich ein?”. Übrigens dürfte das in etwa gleiche Problem ab und an auch bei Recruitern auftauchen, die aktiv auf Suche nach Personal sind.

Das Konzept

“Was gebe ich ein?” – diese Frage möchte Truffls für beide Seiten idealerweise abschaffen. Das Konzept ist simpel. Die “Maschine” versteht mein Profil und liefert mir passende Jobs. Die “Maschine” versteht mein Stellenangebot und liefert mir passende Kandidaten-Profile. Das war’s.

Die Umsetzung 

Die aktuelle Umsetzung von Truffls.de ist denkbar einfach. Als aktiver Xing- und/oder Facebook-Nutzer auf Jobsuche meldet man sich mit einem Klick an und überträgt automatisch die relevanten beruflichen Daten an die Plattform. Das ist kein Zwang. Mein kann seinen Lebenslauf auch gerne selbst anlegen bzw. vervollständigen. Truffls wertet die Daten aus, gleicht sie mit aktuell über 350.000 semantisch ausgewerteten Jobs ab und liefert konkrete Jobvorschläge. Die ganze Prozedur kostet keine 5 Minuten. Für mich sieht das dann z.B. so aus:

truffls_auswahl

Spannend ist die Tatsache, dass der Truffls Algortihmus auch noch lernfähig sein soll. Unpassende Jobs können abgelehnt werden und so lernt das System, wo es evtl. Fehler macht bzw. wie es die Vorschläge noch verbessern kann.

Viel mehr gibt’s eigentlich nicht zu sagen. Ich kann mir die Jobs natürlich merken, nach Ort oder zusätzlichen Keywords filtern. Beim Klick auf “Truffls” erlaube ich die Weiterleitung meines Profils an das Unternehmen. Wie diese Funktion ankommt, wird sich noch zeigen müssen.

Die Lösung für Recruiter, die nach Aussage des Teams ganz kurz vor dem Start steht, wird ähnlich einfach funktionieren. Man gibt den Link zum Job ein. Die “Maschine” wertet aus und schlägt Profile vor. Möchte man Kontakt-Optionen erhalten, muss das Unternehmen zahlen. Pay-per-CV ist auch das aktuell angestrebte Geschäftsmodell der jungen Firma.

Startseite Truffls Screenshot

Die Plattform ist insgesamt schnell, übersichtlich und leicht zu bedienen. Natürlich ist der Algorithmus noch jung und wird laufend nachgebessert werden (müssen). Insgesamt aber kann sich das Ergebnis aus der Sicht der Bewerber bis jetzt absolut sehen lassen. Wenn Ihr als Jobsuchende nicht zufällig vorhabt, beim nächsten Jobwechsel inhaltlich etwas völlig anderes als bisher zu machen, würde ich Truffls unbedingt ausprobieren.

Meine persönliche Fragen-, Skepsis- und Kritik-Vorwegnahme

Frage: Xing macht mir als Bewerber auch Jobvorschläge. Was soll ich mit Truffls?

Antwort:

a) Während XING Vorschläge ausschließlich aus der eigenen Jobbörse macht, kann Truffls theoretisch alle Jobs im Netz crawlen (was sie hoffentlich auch vorhaben). Sie wollen mit Jobs selbst (zumindest noch) kein Geld verdienen, sind so gesehen eine offene Plattform. Damit ist die potentielle Auswahl viel größer.

b) Was noch viel wichtiger ist: Xing’s Matching funktioniert schlechter bzw. anders. Der Algorithmus orientiert sich eher an den Positionen/Berufsbezeichnungen. Mein persönliches Ergebnis bei Xing sieht ganz anders aus, inhaltlich wohl weniger treffend.

xing_matching

Frage: Als Recruiter setze ich eher auf den Xing Talent Manger. Truffls kann bei der Profilmenge mit Xing nicht mithalten.  

Antwort: Berechtigter Punkt. Für den Erfolg des aktuell angepeilten Geschäftsmodells wird es für Truffls notwendig sein, bald eine kritische Maße an qualitativ guten Profilen aufzubauen. Sonst wird die Plattform für Recruiter nicht interessant genug bzw. nur als Ergänzung in einzelnen schweren Fällen denkbar. Dieses Vorhaben ist nicht einfach.

Evtl. könnte man aber auch ein gutes Geschäft nur auf einem guten Service für Bewerber aufbauen und auf die Recruiter komplett verzichten. Was die reine Funktionalität angeht, müssen wir die konkrete Ausgestaltung des Truffls Recruiter Moduls abwarten.

Ganz nebenbei, wenn sich das Truffls Matching als wirklich zuverlässig und überlegen erweist, wäre auch eine Übernahme durch Xing denkbar. Dumm wäre es nicht. (LinkedIn hat ja in dem Bereich mit Bright kürzlich vorgelegt.)

Frage: Du hast doch BranchOut nicht gemocht und kritisiert, warum lobst Du Truffls – gibt’s da einen Unterschied?

Antwort: In der Tat. BranchOut hatte seinerzeit versucht, ein Geschäftsmodell auf dem Aufsaugen möglichst vieler Facebook-Profile aufzubauen. Das habe ich kritisiert. Truffls aktuell geplantes Geschäftsmodell muss sich sicherlich ähnliche Vorwürfe gefallen lassen. Nichtsdestotrotz glaube ich, bei Truffls einen wesentlich stärkeren Fokus auf die Matching-Technologie und den Bewerber zu sehen. Das gefällt mir und das ist der eigentlich richtige Weg. Außerdem verkauft Truffls keine Stellenanzeigen, was ihnen, wie oben erwähnt, voraussichtlich ermöglicht, einen wesentlich nützlicheren und umfassenderen Service für die Bewerber aufzubauen.

Außerdem kommt Truffls aus Deutschland. Und es freut mich, dass sich unsere Leute mit guten Ideen und Fähigkeit an diesem schwierigen Markt ausprobieren 🙂 In diesem Sinne, Bewerber probiert’s aus, Blogger macht mal etwas Support! Und erzählt mir, was Ihr alle davon haltet.

Millennials 2014: Freelance oder Festanstellung?

Das spannende an der GenY ist, ja dass sie älter wird, während man sich mit ihr beschäftigt und versucht, sie wie Socken in Schubladen zu pressen. So waren die nach 1980 geborenen vor fünf Jahren eben noch diese fünf Jahre jünger. Vor wenigen Tagen hatte ich das erste ernstzunehmende Briefing auf dem Tisch, das ausdrücklich eine Berücksichtigung von Generation X, Y und Z wünschte. Merkt man auch wunderbar, wenn man sich z.B. die aktuelle Millennial Survey 2014 von Deloitte ansieht: Plötzlich sind sie gar noch mehr so gegen die Festanstellung, sehen Unternehmen vor NGOs in der Verantwortung positive Veränderungen einzuleiten und sie wollen plötzlich sogar wieder Autos – besitzen!?

gx-dttl-2014-millennial-survey-infographic

Ich kann mich noch gut an das Buch von Holm Friebe und Sascha Lobo erinnern: Wir nennen es Arbeit. Darin wurde das Modell des starren Unternehmens mit dem Konzept festangestellter Mitarbeiter als Auslaufmodell beschrieben, zumindest für viele Branchen. Und heute?

  • Während man international mit 38% noch recht bescheiden ist, wollen 54% der Deutschen Millennials wieder Personal führen..
  • …allerdings nicht als Freelancer oder Gründer: International wollen noch 70% am liebsten frei arbeiten, in Deutschland nur noch 55%

Wo ist die neue unabhängige, agile Freelance-Projektkultur geblieben? Ist sie bei den alternden Millennials einer neuen Realität gewichen? Oder haben diese Ansichten nach und nach Einzug in die Wirtschaft gefunden, so dass auch im Unternehmen Selbstverwirklichung für Post-80er möglich ist? Ich würde mich über eine kurze Darstellung Eurer Sicht in den Kommentaren sehr freuen.

Pics: Norm Clark (CC BY 2.0) and Deloitte

Big Data in HR

Heute erschien bei Haufe HR-Management ein Artikel zum Thema Big Data in HR unter dem Titel Datenschutzbeauftragter rät: “Finger weg von Big Data im Personalbereich”Bei dem zitierten Datenschutzbeauftragten handelt es sich um den Herrn Dr. Thilo Weichert, den Chef des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig Holstein.

Ich empfinde solche plakativen Ausrufe als verstörend und schädlich (es sei denn, sie kommen von mir :)) und möchte daher gerne ein paar Punkte kommentieren.

Weichert: “Ich halte – ehrlich gesagt – vom Big-Data-Einsatz im Personalbereich überhaupt nichts. Personalentscheidungen sind höchstpersönliche Dinge, wo es um individuelle Erwartungen und Fähigkeiten geht. Derartiges ist über Big Data im Personalmanagement nicht in den Griff zu bekommen. Es gibt viel zu viele weiche Faktoren im Personalbereich, die per digitale Daten nur oberflächlich gehandhabt werden können. […]”

Hier habe ich den Eindruck, dass in der Vorstellung von Herrn Dr. Weichert Big Data im Bereich HR, vielleicht auch im Allgemeinen, eine absolut klar umrissene einheitliche Form besitzt. Big Data ist ein Ding. Irgendwas in der Art: “Alle persönlichen Daten der Mitarbeiter in den Unternehmen und in den sozialen Netzwerken.” Und nun macht sich dieses böse “Big Data” auf den Weg und trampelt den Datenschutz kaputt.

Big Data ist auch im HR unvermeidlich und längst nicht so furchteinflößend, wie viele denken.

Ich möchte Euch dagegen gerne eine andere Betrachtungsweise ans Herz legen. “Big Data” ist in meinen Augen kein Ding. Es ist in erster Linie ein Konzept, das das Zusammenspiel von Datenmengen, Datenvielfalt und Datengeschwindigkeit beschreibt (auch als 3Vs – volume, variety and velocity bekannt). Ein Konzept muss nicht per se schlecht sein. Es existieren nämlich unterschiedlichste Einsatzszenarien. Und was Ihr damit macht, hängt von Euch ab und nicht von “Big Data” als solches.

Beispiel: Warum sollten langfristig angelegte Auswertung über Personal-Fluktuationen in einem Konzern schlecht sein bzw. wer und was würde durch solche Auswertungen verletzt? Warum sollte ein Mittelständler nicht auf Big Data Analysen zugreifen können, die auf Grundlage umfassender Datenerhebungen bei unterschiedlichsten Unternehmen Szenarien der Mitarbeitermotivation über verschiedenste Maßnahmen zulässt?

Im Übrigen, was Einstellungsverfahren angeht, bestehen auch abseits der Big Data Diskussion durchaus berechtigte Zweifel daran, ob Entscheidungen aus dem Bauch heraus, tatsächlich stets für das Unternehmen als Ganzes das beste Ergebnis liefern. Und mal ganz ehrlich, was sind denn Assesments und Einstellungstests wenn nicht Vorläufer von Big Data gestützten Auswahlverfahren, die über Abgleiche von Qualifikationen mit einem riesigen Daten-Pool Performance-Szenarien erstellen lassen werden können.

Ach ja, schaut Euch in diesem Zusammenhang bitte die Firma Evolv an. Sie haben unter anderem für Xerox über 300.000 Einstellungstests von Call-Center Mitarbeitern ausgewertet und mit der Arbeits-Performance abgeglichen.

Haufe Online-Redaktion: “Was empfehlen Sie den mit den für die Mitarbeiterdaten Verantwortlichen, um die Risiken von Big Data insbesondere bei den Mitarbeiter- und Bewerberdaten in den Griff zu bekommen, ohne auf die Chancen verzichten zu  müssen?”

Weichert: “Ich sehe in diesem Bereich keine vernünftigen Chancen. Deshalb ist mein Ratschlag: Finger weg.”

Nun, liebe “Mitarbeiterdaten Verantwortlichen”, wenn Ihr dem Rat von Dr. Weichert folgen wollt und bereits fleißig Steine für den Weg der Innovatoren in Euren Unternehmen sammelt, seit ihr schlecht beraten. Die Auswertung von Daten ist mit Sicherheit kein Allheilmittel, auch in HR nicht.  Und natürlich muss man stets datenschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen. Den Datenschutz als Totschlagargument gegen jeglichen sinnvollen Einsatz von Big Data Lösungen im Dienste unserer Unternehmen einzusetzen, halte ich für unverantwortlich, sowie perspektivisch auch wirtschaftlich und gesellschaftlich gefährlich. Wir sind hier ohnehin nicht sonderlich für Fortschrittlichkeit berühmt.

Wie immer, sind es längst die anderen, die experimentieren, ausprobieren und sich bewusst für oder auch gegen den Einsatz von bestimmten Methoden entscheiden.  Also, statt “Finger weg!” empfehle ich dringend “Augen und Ohren auf!” Leute, lasst Euch keine Angst einjagen. Wenn Ihr Interesse am Thema habt, klickt Euch bitte durch die Links in diesem Post. Ich habe da ein paar wirklich gute einführende Materialien zusammengetragen. 30-60 Minuten und Ihr könnt bei dem Thema Big Data in HR mitreden.

Viel Erfolg!